Science als Natürliche Geometrie
- Einheitlichkeit durch Einfachheit -

Diese Homepage will einem Studenten der Natürlichen Geometrie meine Zeitschriften-Artikel als Arbeitsgrundlage zugänglich machen. Aber jeder dieser Original-Artikel liefert nur einen Baustein zu dem, was ich Natürliche Geometrie nenne. Jeder Leser muss bei sich abtasten, über welche meiner Publikationen er einen für ihn geeigneten Zugang (einen "Einstieg" im Sinne Wagenscheins) zu meinem Begriff der Natürlichen Geometrie findet.
Ich sehe drei Traditionen, wie wir "Geometrie" zur Darstellung bringen. Diese unterschiedlichen Traditionen sind historisch gesehen zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden (erfunden worden). Aber sie werden bis heute sehr oft parallel zueinander benutzt:

Die "handwerklich-praktische" Tradition stellt dar (erzeugt) geometrische Grundgebilde und Figuren mit Hilfe von Werkzeugen wie
Bleistift, Lineal, Zirkel.

Die "synthetische" Tradition: Sie erzeugt (definiert) und beschreibt geometrische Grundgebilde und Figuren mit Hilfe von
Axiomen, Definitionen, Theoremen.

Die "analytische" Tradition: Sie definiert, stellt dar und beschreibt geometrische Grundgebilde und Figuren mit Hilfe von
Zahlen, Zahlkalkülen, Koordinatensystemen.

Wer die im Rahmen der Natürlichen Geometrie intendierte elementare und radikale Kehrtwendung verstehen und benutzen will, muss sich mit allen drei dieser geometrischen Traditionen kritisch auseinander setzen.

Dies will ich an einem Beispiel erläutern: Als ich eine meiner ersten Arbeiten bei einer mathematischen Fachzeitschrift unterbringen wollte, fragte mich einer der zahlreichen skeptischen Gutachter: "Wie willst Du "Kreis" verstehen (definieren, darstellen, beschreiben), wenn Du keinen Kreis-Mittelpunkt hast?"

Nicht nur dieser Gutachter, auch jeder andere Student der Natürlichen Geometrie muss sich selbstverständlich ein Bild machen, wie man im Rahmen der Natürlichen Geometrie zu einem exakten Begriff von "Kreis" kommt, auch wenn man diesen nicht wie üblich mit dem Zirkel zeichnen; als Ort aller Punkte definieren kann, die von einem Punkt M gleichen Abstand haben; oder beschreiben kann durch eine algebraische Gleichung, zusammen mit einem Koordinatensystem als Bezugsrahmen.

Der von mir beschrittene Weg zur Definition und Entwicklung der Natürlichen Geometrie steht der "analytischen Tradition" nahe. Aber meine radikale Kehrtwendung besteht beispielsweise darin, dass ich nicht Paare/Trippel reeller Zahlen, sondern unmittelbar komplexe Zahlen (und quaternionische Zahlen) als geometrische Figuren verstehe, ohne den Begriff " (Kartesisches) Koordinaten-System" zu benutzen.

Das Interessante an meinem Begriff "Natürliche Geometrie" ist mathematisch gesehen beispielsweise auch, dass ich zwar einen Weg "analytischer Tradition" in den Anfängen exakt und detailliert abschreite; dass aber bisher eine Ausarbeitung, Darstellung und Anwendung der Natürlichen Geometrie im Sinne der synthetischen und handwerklich-technischen Tradition bisher in der Literatur und im Internet nirgendwo vorliegt.

Hier öffnet sich also ein weites Feld elementarer, aber grundsätzlich wichtiger wissenschaftlicher und technischer Fragestellungen, deren Bearbeitung für die reine Mathematik interessant ist; und die zugleich als Werkzeuge unerlässlich sind, wenn sich die exakte Wissenschaft über die Grundlagen der Physik neu besinnen will.

Ich gebe im Folgenden einen Kanon von Aufgaben, Übungen und Themen, welche das Gemeinte beispielhaft ansprechen; und die als Einstiege dienen können, um die Natürliche Geometrie selbständig zu studieren - und auch weiter zu entwickeln.

G = Aufgaben für Gymnasiasten
U = Aufgaben für Studierende
U/G = für beide geeignet

1. Zur synthetischen Tradition

1.1. Der Euklidische Winkelsummen-Satz für Dreiecke wird gemeinhin oft verstanden als ein Charakteristikum der Euklidischen Geometrie: Generell sind Nicht-Euklidische Geometrien, so verstanden, solche metrischen Geometrien, in denen die Dreieck-Winkelsumme verschieden ist von der Summe zweier rechter Winkel. Aufgabe: Mache klar, in welchem Sinne die Natürliche Geometrie eine Nicht-Euklidische Geometrie ist, in der aber (auch) der Euklidische Winkelsummen-Satz gilt. (U/G)

1.2. Wir führen den Satz "Ein Umfangswinkel im Halbkreis ist ein Rechter Winkel" zurück auf Thales und verstehen ihn als einen Satz der Euklidischen Geometrie. Aufgabe: Mache klar, wie der dem Thales-Satz analoge Satz der Natürlichen Geometrie zu formulieren ist. Welche (zunächst fremde) Gestalt haben Winkel der Natürlichen Geometrie? (G)

1.3. In den Tangentenräume Riemannscher Geometrien gilt generell die Euklidische Geometrie. Entwickle eine Differentialgeometrie, in deren "Tangentenräumen" die Natürliche Geometrie (und nur diese) gilt. (U)

1.4. Die Trigonometrie der Euklidischen Geometrie definiert die Größen von Winken und die 2 x 3 elementaren Winkelfunktionen mit Hilfe von Seitenverhältnissen in rechtwinkligen Dreiecken. Beschreibe: Wie definiert die Natürliche Geometrie Winkelgrößen und Winkelfunktionen allein mit ihren Begriffen, also unabhängig von der Euklidischen Geometrie? (U/G)

1.5. Wir verdanken z. B. Hilbert einen befriedigenden axiomatischen Aufbau der Euklidischen Geometrie. In der Literatur liegt bisher eine vergleichbar befriedigende axiomatische, von der Euklidischen Geometrie unabhängige Begründung der Natürlichen Geometrie nicht vor. Entwickle einen solchen axiomatischen Aufbau der (zweidimensionalen) Natürlichen Geometrie - bis zur Winkelmessung - ohne Benutzung Euklidische Begriffe, wie "Gerade", "Streckenlänge", "Kreismittelpunkt", "Kreisumfang" und dergleichen. (Meine Entwicklung der Natürlichen Geometrie ist zwar von der Euklidischen Geometrie unabhängig, benutzt aber den Komplexen Zahlkörper.) (U)

2. Zur handwerklich-technischen Tradition

2.1. Das traditionelle Werkzeug zum Zeichnen von Kreisen - der Zirkel - ist recht ungeeignet, um "Kreise im Sinne der Natürlichen Geometrie" zu zeichnen.
Aufgabe: Schreibe ein Computer-Programm, dass in der Lage ist, diese "Kreise" (d.h. genauer: diese Konform-Kreise) unmittelbar zu zeichnen. Entwickle die Lösung eines Kanons von Grundaufgaben. Beispielsweise:
a) Zeichne einen Kreis der Natürlichen Geometrie, der durch drei seiner Punkte bestimmt ist.
b) Zeichne durch zwei Punkte eines (Konform-)Kreises den orthogonalen Kreis.
c) Zeichne den Tetraglobe, der durch vier seiner Eckpunkte bestimmt ist.
d) Zeichne einen gleichwinkligen Tetraglobe. Das heißt, das Analogon des gleichseitigen Euklidischen Dreiecks.

2.2. Entwickle ein Computer-Programm, das Grundfiguren der Natürlichen Geometrie - wie Winkel, (mittelpunktfreie) Kreise, konforme Triangel usw. - auf dem Bildschirm anschaulich so zur Darstellung bringt, dass "Bewegungen" (konforme Deformationen) der Grundfiguren unmittelbar zur Anschauung kommen. (G/U)

2.3. Wie kann man auf dem PC (mittels eines von dir zu konstruierenden Programms) den Tetraglobe (das konforme Triangel der Natürlichen Geometrie) per Mausklick dynamisch (konform-geometrisch) so bewegen, dass der Zusammenhang zwischen einem Euklidischen Umkreis-Dreieck und einem Tetraglobe (allgemeiner: zwischen Figuren in "Euklidischer" und "allgemein konformer Lage") für jedermann sichtbar wird?

2.4. Kannst du deinen Computer lehren, geometrische (Euklidische) Grundkonstruktionen im nicht-euklidischen Modell der Natural Geometry so elegant und leicht auszuführen wie Menschen, die diese Grundkonstruktionen im Modell Euklids (im geometrischen Anfangsunterricht) seit zweitausend Jahren mit Zirkel und Lineal auszuführen pflegen? Wie beispielsweise sieht dann auf deinem Computer-Schirm ein gleichschenkliges Dreieck mit seiner Höhe auf der Basis aus? Wie demonstrierst du die Symmetrie des Dreiecks bezüglich dieser Höhe? Wie erscheint ein Euklidisches Dreieck mit Umkreis? (G)

2.5. Benutzt man eine Gaußsche Ebene und ihre komplexen Zahlen zur Darstellung von Figuren der Euklidischen Geometrie, so pflegt die mathematische Tradition den Fernpunkt mit z = 8 zu identifizieren. Das scheint nahe liegend (warum?), ist aber nicht notwendig und führt zu einer "einseitigen", starren, an die übliche Tradition gebundene anschauliche Realisation (Vorstellung) Euklidischer Figuren und Grundbegriffe. Wählt man ausgehend von der Natürlichen Geometrie einen anderen Punkt z ? 8 als Fernpunkt, so ergibt sich ein "nicht-euklidisches" Modell der Euklidischen Geometrie. Ein solches Modell ist für unsere Augen ungewohnt, führt aber auch Dinge vor Augen, die im klassischen Modell nicht sichtbar sind. Beispielsweise kannst Du anhand eines solchen Modells die Frage diskutieren: Treffen sich zwei Parallelen nicht; oder treffen sie sich im Fernpunkt? (U/G)

3. Zur physikalischen Deutung der Natürlichen Geometrie

3.1 Überlege: Wie sieht die physikalische Mikro- und Makrowelt aus, wenn Winkel fundamentalere Bezugssysteme bilden als die Längen von Strecken- und Zeitintervallen? (U)

3.2. Diskutiere: Die Natural Geometry vermittelt ein Bild von den Grundstrukturen unserer physikalischen Welt, ihrer Partikel ("Quanten") und deren Bewegungen, ohne dass generell Begriffe wie "Gerade", "Starrer Körper", "Streckenlänge" benutzt werden. (G/U)

3.3 Diskutiere: Gelingt es der Natürlichen Geometrie, die Lichtgeschwindigkeit und/oder das Plancksche Wirkungsquantum als "rein geometrische" Größen zu verstehen? (U)

3.4. Versteht man die Rolle imaginärer Zahlen bei Einstein und Minkowski, bei Schrödinger und Heisenberg besser, wenn man die nicht-reellen Zahlen mit den konformen Mitteln der Natürlichen Geometrie darstellt? (U)

3.5. Berichte: Welche Gründe sprechen dafür, dass physikalische Quanten mathematische Zahlen sind? (U/G)

3.6. Berichte: Der konforme Begriff von "Trigonometrie", wie ihn die Natürliche Geometrie begründet, führt zu einem tieferen Verständnis der Lorentz-Transformationen. (U)

3.7. Misst die Astronomie bei Entfernungsmessungen im fernen Weltraum unmittelbar nur Winkel? Welche mathematischen, beispielsweise trigonometrischen Voraussetzungen gehen in astronomische Entfernungsmessungen ein? In welchem Umfang lässt sich der terrestrischen Längenbegriff ohne Bedenken auf astronomische Dimensionen übertragen? (U/G)

3.8. Diskutiere: Wie kann man den Widerspruch zwischen Wellen- und Korpuskel-Modell von Licht und Materie mittels Natürlichen Geometrie neu denken und modellmäßig überwinden? (U/G)

3.9. Man beweise, dass die Schrödinger-Gleichung der Quantenmechanik die Form einer Potentialgleichung hat, wenn man die Ψ-Zahl (die Ψ-Funktion) durch ln(Ψ) ersetzt. (U)

3.10. Spätestens seit Entwicklung des Bohrschen Atommodels war sich die Theoretische Physik darüber im Klaren, dass der Euklidische Längen-Begriff (der Begriff "Starrer Körper") in der Mikrophysik viel von seinem Sinn verliert. Nur war es bisher für den Physiker schwer denkbar, wie seine auf Messungen beruhende Methode ohne z.B. Kartesische Koordinatensysteme (mit den Längeneinheiten auf ihren Achsen) auskommen soll, um den physikalischen Raum und physikalische Bewegungen in diesem Raum zu beschreiben.
Diskutiere: Kann man einen präzisen Begriff vom dreidimensionalen Raum beibehalten, wenn man den klassischen Raumbegriff, wie er von Descartes und Newton eingeführt wurde, durch den Raumbegriff der Natürlichen Geometrie ersetzt? Kann man diesen anschaulichen Raumbegriff beibehalten, auch wenn längenmetrische Begriffe wie "Entfernung im Raum" und "Größe in der Zeit" in gewissen, mikrophysikalischen Erfahrungsbereichen ihren Sinn verlieren? (U)

3.11. Diskutiere: Wenn der Längen- und der Zeit-Begriff in der Mikrophysik ihren Sinn verlieren: Kann man dennoch dem Newtonsche und Einsteinsche Begriff der Geschwindigkeit einen Sinn geben? (U)

Die hier aufgeführten Aufgaben, Übungen und Themen mögen helfen, dein Verständnis der Natürlichen Geometrie zu vertiefen und fortzuführen. Natürlich wirst du in der Regel nicht umhin können, jene Partien in meinen Originalarbeiten aufzusuchen, die bei der Bearbeitung der Aufgaben dienlich sein können.



Ich freue mich, wenn wir anhand dieser Aufgaben und Fragestellungen ins Gespräch kommen:
klaus-ruthenberg(ät)t-online.de